Liebe Fluggäste, Copiloten, Fluglehrer und Mentoren,
Sehr geehrte Damen und Herren!
Im April 1993 habe ich meine Flugprüfung zum Privatpiloten bestanden. Seidem bin ich Inhaber einer “Private Pilote Licence – Aeroplane” oder kurz “PPL-A”. Die letzten 25 Jahre sind sprichwörtlich “wie im Flug” vergangen.
In diesem Beitrag möchte ich einige persönliche Erfahrungen und Eindrücke aus dieser Zeit teilen.
Wie alles begann
Wenn ich vor 25 Jahren nicht die Entscheidung getroffen hätte, alles Geld das ich damals besass zusammenzukratzen und die Ausbildungskosten im Voraus zu zahlen, dann wäre ich heute um ein gutes Stück an Wissen und um zahlreiche Erfahrungen ärmer. Die Fliegerei hat meinen Horizont erweitert. Ich habe im Theorieunterricht viel über Technik, Flugwetter, Navigation, Flugfunk, Luftrecht, Luftraumstrukturen, Verhalten in besonderen Fällen und Fliegen im Gebirge gelernt, nur um einige Themen zu nennen. Während 35 Stunden praktischer Flugausbildung habe ich mir von einem Fluglehrer zeigen lassen wie das Flugzeug bedient wird und wie die verschiedenen Phasen geflogen werden: Nach dem Rollen am Boden folgt der Start mit Übergang in Steigflug, Horizontalflug, Sinkflug, Landeanflug, Landung und Rollen bis zum Abstellplatz einschliesslich dem Ausstellen des Triebwerks. Für alles gibt es eine Checkliste!
Etwas über das Rollen
Flugzeuge fahren nicht, sondern sie rollen. Das ist gar nicht so einfach, exakt den gelben Linien auf dem Vorfeld und den Rollwegen bis zur Piste zu folgen. Anders als im Auto wird das Bugrad nämlich bei den meisten Flugzeugtypen mit den Seitenruderpedalen gesteuert und nicht etwa mit dem Steuerhorn wie vielleicht im ersten Moment vermutet werden könnte. Ich habe sogar auf einem Flugzeug ohne direkt angesteuertes Bugrad gelernt. Da können die Richtungsänderungen am Boden nur durch Betätigung der einzelnen Bremsen am linken oder rechten Rad des Hauptfahrwerks erzielt werden. Ich sag euch, das ist am Anfang ein „geeiere“.
Auf der Strasse muss ich das Auto auf der Spur zwischen der meist durchgezogen weissen Randlinie und dem gestrichelten Mittelstreifen fahren. Ein perfekter Pilot lenkt das Flugzeug so, dass das Bugrad genau auf der gelben Linie läuft. Aber wie macht er das, wenn er das Rad unter dem Triebwerk vorne gar nicht sieht? Ein guter Trick ist, sich vorzustellen, dass die Linie genau zwischen beiden Füssen durchlaufen muss. Das Ergebnis ist erstaunlich gut, obwohl ich ja nicht genau in der Mitte des Flugzeugs sitze sondern auf dem linken Sitz im Cockpit. Gelernt ist gelernt, denn nach fast 25 Jahren habe ich noch eine Einweisung auf der Katana gemacht. Das sogenannte „Handling“ am Boden habe ich zur Überraschung meines Fluglehrers erstaunlich gut gemeistert.
Ein weiter Weg
Wie weit bin ich mit meiner Fliegerei gekommen? Ich verfüge über eine Gesamtflugzeit von 318 Stunden und 29 Minuten. Das mag im Vergleich zu anderen Piloten, die viele zehntausend Stunden im Logbuch haben, nicht viel sein. Für mich ist es jedoch eine grosse Zahl. Die Erde hat 360 Breitengrade und am Äquator entspricht ein Grad, also der Abstand zwischen zwei Breitengraden, 60 Nautischen Meilen. Damit ergibt sich der Erdumfang von 21’000 Nm. Umgerechnet sind das die uns bekannten 40’000 Km. Ein viersitziges Sportflugzeug bewegt sich im Reiseflug mit etwa 110 Kt (Knoten) fort. Das entspricht 110 Nm/h. Somit habe ich in den letzten 25 Jahren eine Gesamtstrecke von knapp 35’000 Nm im Cockpit zurückgelegt. Dies entspricht einzweidrittel des Erdumfangs. Natürlich ist das nicht vergleichbar mit den Piloten die sich mit einer Weltumrundung in einmotorigen Flugzeugen brüsten und das in den sozialen Medien ausschlachten. Es ist für mich persönlich eine tolle Leistung, ohne schwerwiegende Zwischenfälle bis jetzt so weit gekommen zu sein. Ich musste nie eine Sicherheits- oder Notlandung durchführen. Verfahren dazu, die in regelmässigen Refreshern mit den Fluglehrern so intensiv geübt wurden, kamen daher glücklicherweise nicht zum Einsatz.
Übung macht den Meister
Die zurückgelegte Strecke ist nur ein kleiner Aspekt der Fliegerei. Routine entsteht durch ständige Wiederholung. Insgesamt bin ich 694 mal gestartet und 694 mal gelandet. Start und Landung sind kritische Phasen im Flug und erfordern besondere Aufmerksamkeit. Ich bin mal mit und mal ohne ausgefahrene Klappen gestartet oder gelandet. Ich habe steile Anflüge gemacht und Höhe zu Übungszwecken auch durch das sogenannte “Slippen” abgebaut oder ich bin sehr flach angeflogen und das Flugzeug hat lange über der Piste ausgeschwebt bis es aufgesetzt hat. Und wie es sich für eine perfekte Landung gehört, ist meistens kurz vor dem Aufsetzen die Überziehwarnung gekommen, das bekannte „huiiiiiiiiiiiiiiiiuuu“ wie wir es sehr gut z.B. von der Cessna 172 kennen.
Mein Liebling am Himmel
Die meiste Zeit habe ich fliegend in der viersitzigen Cessna C172, auch bekannt als Skyhawk, oder der zweisitzigen kleineren Schwester, der Cessna C152, verbracht. Folgend das Bild einer viersitzigen Maschine mit modernem Dieseltriebwerk das verbrauchsarm ist, einen geräuscharmen Verstellpropeller hat und in Kombination mir der FADEC, der automatischen Motorsteuerung, für eine einfache Bedienung durch den Piloten und gute Performance sorgt.
Diese Hochdecker sind wunderbar gutmütig und lassen sich prima fliegen. Und Luftbildaufnahmen lassen sich auch sehr gut damit machen: Objekt im leichten Sinkflug anpeilen, Fahrt reduzieren, für den Photographen das Fenster der rechten Tür hochklappen und ein paar mal drumherum mit Gebrumm. Und dann natürlich das Fenster wieder schliessen und nix wie weg, damit sich niemand von der Bevölkerung beschwert.
Am liebsten fliege ich die Beech Bonanza. Sie ist für mich unter den einmotorigen Sportflugzeugen nach wie vor die Königin am Himmel auch wenn sie schon seit mehr als 50 Jahren gebaut wird: ein sechsitziges, „high-performance and complex aircraft“ mit Verstellpropeller und Einziehfahrwerk. Der Sechszylinder hat 300 PS und die Reisegeschwindigkeit liegt jenseits der 300 Km/h. Wer einen Eindruck von diesem tollen Flugzeug bekommen möchte, kann sich das folgende Showcase-Video anscheuen (Dauer: 2:29).
Danksagung
Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei all den Menschen, die mitgeflogen sind oder mich in irgend einer anderen Form unterstützt haben: Fluggäste, Copiloten, Fluglehrer und Mentoren.
Besonderer Dank geht an meine Frau fürs Mitfliegen und das lange Warten bis ich von meinen Ausflügen wieder sicher am Boden war.
Danke auch an Peter, der mir ein Praktikum und tolle Flugerlebnisse in den USA ermöglichte.
Namentlich möchte ich folgende Personen nennen, die Zeit mit mir im Flugzeug verbracht haben. Die Aufzählung folgt der Reihenfolge wie sie im Logbuch nach meiner Flugprüfung am 25. April 1993 zum ersten mal erscheinen: Jens, Udo, Ingo, Lorenz, Jochen, Dirk, Jan, Thomas, Sabine, Andreas, Diego, Jochen, Andrea, Ingo, Norbert, Alexander, Michaela, Sandra, Frank, Thorsten, Carsten, Thomas, Volker, Claudia, Nuno, Janko, Andre, Viepke, Trevor, Byron, Hans, Andreas, Toby, Kornelia, Bruno, Martin, Markus, Roman, Henk, Heinz, Sebastian, Philipp, Hendrik, Manuel und viele, viele andere Rundfluggäste deren Namen ich leider nicht kenne.
Es war mir eine grosse Freude, das Fliegen mit euch zu teilen! Herzlichen Dank.
Euer Pilot, Flugzeugwart, Luftfahrt-Ambassador und Ingenieur,
Karsten Reichart